Schlarpi
Schlarp ned eso. Me löpft d’Füess.
Ond sowiso es Meitli. Es Meitli
nemmt au ned eso grossi Schrett.
Du laufsch jo als wörd öpper
of di warte als hättsch en Termin als
bränntisch druf vo do wäg z’cho.
Ond pass besser uf was d’ seisch
wenn d’ seisch was dänksch denn
esch denn dööt schnäll nor no Gströpp
hocksch ellei im Egge mett de Händ
vorem Gsecht ond brüelisch.
Pass also uuf. S’esch ned schön
so ohni Schotz vo de Böim
emmer guet sechtbar för alli.
Ond wottsch di jo ned schäme.
Wottsch jo ned dass me seit
sigsch fräch ond verwöhnt
wöllisch z’schnäll vorwärts
oder laufisch wienen Maa.
Weisch die Andere
zeige der emmer
wer du besch. Also
suech dini Wort guet uus
wenn’s sy muess
verschliessisch sie i der.
Denn passiert der scho nüt
denn hämmer di gärn. Also
löpf dini Füess
lauf chli langsamer ond
stopf der ab ond zue
öppis is Muul. Gäll
das esch denn kei Information
das esch en Uuftrag.
Aus Gletscherstück:
Unter Ponys
Was ich wusste aber nicht wirklich wusste
(eigensinnig wie ein Pony): Glück und Verzweiflung
wechseln sich ständig ab. Später dann tieferes
Glück, tiefer die Verzweiflung. Dann
eine fortlaufendeGewöhnung
an härtere Beleuchtungen, schärfere
Einsichten, grössere Nüchternheit.
In einer Ackersenke scharf geschoren
die Schafe. Rückblickend zu viele Wattepads.
Ist es nicht süss was der Wind
mit den meterlangen Stirnfransen der Ponys
macht und wie sie plötzlich nichts
mehr sehen?
Aus Siedlisko
Du sagst ich soll den Tag
nicht vor dem Abend loben
aber genau das werde ich tun.
Ich lobe mir den Taubenschlag in
Trzebiechow und wie die Tauben
auffliegen wenn wir vorbeifahren
auf unserem Weg zum See.
Ich lobe mir die Malven im Dämmerlicht
wie sie glimmen in den frühen Morgenstunden
auf unserem Weg zum Klo und
das Knarren des Birnbaums
unter dem wir sitzen und
aufeinander zusteuern wie Frachtschiffe.
Ich lobe mir den Blick in die Bäume.
Der auf Schönheit angewiesen ist:
Er ist dem Grässlichen ausgeliefert
schreibt Christa Wolf in ihrem Sommerstück
vor dem wir uns hüten. Wir verfolgen
die Spuren der Katzen legen Steine
auf ihre Exkremente
die sie mit zitterndem Hinterteil
in den Garten würgen. In der Dunkelheit
orientieren wir uns an den Pflanzen später
fällt unser Blick in Pfützen
klar wie Spiegel, Sandwege
grundlos bei Regen. Wir wissen
um die Nähe der Wölfe. Wir werden immer
stiller wir wagen es nicht uns zu verirren.
Ich beschliesse Malven zu pflanzen mehr
auf die Dinge zu achten Zusammenhänge
zu verstehen wie die Vektoren
auf die Fähre treffen und sie
ans andere Ufer schieben. Alles
für die romantischen Dichter.
Ich versuche mir die Ortsnamen zu merken
die Richtungen in die wir ausfliegen.
Das Bellen der Hunde früh morgens
wenn sie gefüttert werden holt mich
aus den Untiefen der Träume
die ich dir am Holztisch erzähle in Splittern
und von Schweigen umhüllt. Träume wie
Hochhäuser die brennen
und gleichzeitig voller Licht sind.
Über der Tür hängt ein Nest mit Schwalben.
Mutig fliegen sie zwischen uns ein
& aus bis wir abreisen
werden die Kleinen fort sein.
Es regnet und draussen
tanzen die Mücken. Wir entlarven
unsere Bilder und hüllen sie
füreinander wieder ein.
Du berührst leise
meinen Arm und sagst
es ist ok.
Aus Atlantis lokalisieren:
die namen der eisheiligen
auf der terrasse treibt der wind
blätter und kleine reste einer seilbahn
in unbestimmte ferne und an kalte geländer
an deinen fingerspitzen der bittere geschmack
von tabak so weit der mohn nun offen steht
und die eisheiligen sich dunkel
verzogen haben es rufen sie die kinder
ihre stimmen hell und noch in strophen
kaffeesatz in deinen gedanken warum
wachsen diese stauden nicht warum bricht
das festgebrannte licht das rauschen der
strasse das rauschen der häfen das
trampeln auf pfaden das donnern nicht
bitter auch dein letzter streit und
wie du hast fortwehen lassen was
noch zart und ohne worte war
för s’ meitli
weisch ich weiss emmer
nonig vell ich weiss
emmer echli meh
echli meh vo dööt woni gsii
be und einisch gseit han
ich tüeg’s vergässe
damet i s weder chan fende
damet i im fende chli cha zeige
wies gsii esch weder z’wösse
wies gsii esch vorem vergässe
Aus Die Kindheit ist eine Libelle
herbrig
bevor die weissen geranien welken
und die wehmut einkehrt
solange alles noch steht
muss ich es preisen
bevor jemand am betonkreuz
auf dem hügel jesus abmontiert
im regen zwischen linden und
schafen hängt er gut
sieht verkehrsschilder kommen
und gehen erste augustfeuer
massen kleiner mädchen auf dem weg
ins schwimmbad
bevor im keller der eltern
keine schachteln mehr stehn
und sie müde den garten ausräumen
muss ich noch einmal
mit den haflingern die auffahrt
nehmen mich mahnen: verlier zum tor
die fernbedienung nicht und nenn
den hund der nachbarn elvis
vatersmutter
auf der laube hast du geranien gelassen
der wind sucht dich im zerfressenen holz
reste vergilbter zeichnungen schiffsmaste gehalten
von einem reisnagel man sieht in den garten
über die johannisbeersträucher grellrot kariert
deine schürze dein teigboden dünn deine ader
hellblaue bänder über den händen
ich habe dir vorgegaukelt ich könne englisch
du hast nur gestaunt das haus steht nicht mehr
der flur die fahrradwege im gras
ob ich dich einmal wiedersehe dein farn
dein farniges haar wann hast du das bein
verloren dein auge ich habe nichts bemerkt
ich trinke aus zwei gläsern wasser
auf dem boden liegen blaue streifen
alles was ich kann die worte
nach aussen lassen anrufen wenn mir danach ist
dich besuchen und dir immer wieder sagen
mein wohnort heisst mein mädchen mein mann
vielleicht werden wir einmal tauschen
Prosa (Auszug aus dem Romanmanuskript "Mittelland")
Nick hält den Atem an, während Manuela an dem Scheunentor rüttelt. Sie sind jetzt ganz nah, sie beraten sich, ob es noch einen anderen Weg gibt, um in die Scheune zu kommen. Es gibt eine zweite Tür, das weiss ich. Ich blicke Nick warnend an und lege meinen Zeigefinger an die Lippen.
Vor der Scheune wird etwas geflüstert, dann laufen sie weg. Es ist still.
„Was ist los? Wo sind sie hin?“
Wir wissen beide, dass sie nicht einfach so weggegangen sind, dafür ist der Spass, den sie sich versprechen, zu gross. Ich blicke zwischen den Holzlatten hindurch, sehe in Streifen die Wiese, das saftige Grün, die knorrigen Stämme der Obstbäume.
„Ich sehe sie nicht mehr,“ flüstere ich, „Aber ich kann nicht glauben, dass sie einfach weg sind.“
Plötzlich springen sie von hinten zwischen den Strohballen hervor. Sie haben das andere Tor irgendwie geöffnet. Gan und Manuela stehen vorne, dann kommen Sibylle und Sandra, Matthias Burger ein paar Schritte hinter ihnen.
„Ha! Da haben wir euch! Habt wohl gedacht, ihr wärt schlauer als wir, was?“
Manuela steht breitbeinig da, sie trägt ihre heiss geliebten Stonewashed-Jeans und einen schmalen Nietengürtel, den sie sich mehrmals um die Hüfte geschlungen hat. Ihre Haare sind offen, und ich kenne ihren Blick. Es ist derselbe Blick, mit dem sie manchmal auf dem Pausenplatz rumläuft und ruft: „So, auf wen haben wir es denn heute abgesehen?“ Immer gefolgt von ihrer treuen Bande, zu der seit neustem auch Gan gehört.
Ich spucke auf den Boden, und Manuela macht einen Schritt auf mich zu und lacht.
„Du arrogante, neureiche Ziege! Denkst wohl, du wärst was Besseres, wie? Nur, weil ihr reich seid und du ins Ballett gehst und immer diese dünnen Strumpfhosen trägst, bist du noch lange nicht besser als wir!“
„Ja, genau, nur weil dein Vater stinkreich ist und drei Autos fährt.“
Sibylle macht jetzt ebenfalls einen Schritt nach vorn.
„Nur weil deine Eltern eine Villa haben.“
Sandra kaut einen Kaugummi. Ihr dicker Bauch wird von einem T-Shirt bedeckt, auf dem ein grosser roter Kussmund glitzert. Nick war im Kindergarten mit ihr befreundet, ihre Mütter haben regelmässig Kaffee zusammen getrunken, und er musste mit Sandra und ihrer Schlumpf-Sammlung spielen.
Manuela ist jetzt ganz nah, ich kann ihren süssen Kaugummiatem riechen. Ich stosse sie weg.
„Lasst uns in Ruhe! Wir haben euch nichts getan.“
Manuelas Augen werden schmal. Sie hat schöne Augen, eine Mischung aus Grün und Braun, sie ist so hübsch, denke ich manchmal im Sportunterricht, wenn sie sich mit voller Kraft ins Getümmel eines Ballspieles wirft.
„Ha! Mir hast du vielleicht nichts getan, aber Gan schon, nicht wahr, Gan?“
Er nickt stumm. Ich funkle ihn an.
„Du Feigling!“
Gan verzieht keine Miene.
„Wenn du schon nichts mit Gan zu tun haben willst, du arrogante Tussi, dann zeig uns doch mal, was du mit Nick so machst.“
Manuela spricht jetzt in einem leisen Singsang. Sie lächelt dabei.
Die Gruppe verschwimmt vor meinen Augen zu einem grossen Tier, das jetzt einen Schritt auf uns zu kommt.
„Haut ab, lasst uns in Ruhe.“
Ich stampfe mit dem Fuss auf, um meinen Worten Kraft zu verleihen. Ich höre, dass Nick zu weinen beginnt. Verdammt, Nick, denke ich. Er bricht in kurze, verzweifelte Schluchzer aus. Wir sind jetzt von Manuelas Truppe umzingelt. Matthias Burger nimmt sein Taschenmesser aus der Hosentasche und wirft es von einer Hand in die andere. Auch das stammt aus einem Film, er spielt es nach, spielt, er wäre ein Gangster. Aber es bleibt ein Taschenmesser, denke ich, und Matthias Burger ist so dumm.
„Sooooo“, sagt Manuela, „jetzt wollen wir doch mal was zu sehen bekommen. Lasst die Hosen runter!“
Nick schluchzt auf.
Ich stupse ihn an. „Hör auf damit.“
„Ganz genau“, sagt Manuela, „das bringt gar nichts. Und ich sagte: Lasst die Hosen runter! Das ist ein Befehl!“
Matthias fährt jetzt die Klinge des Taschenmessers aus, und ich frage mich, ob sie das abgesprochen haben oder einfach alles perfekt passt, eine Bewegung die andere nach sich zieht, wie vorbestimmt.
„Das mach ich nicht“, sage ich, aber ich höre, wie meine Stimme nicht mehr so fest klingt wie am Anfang.
„Oh, doch, das machst du. Sonst pieksen wir dich ein bisschen in den dicken Bauch, stimmt’s, Matthias?“
„Ganz genau.“ Matthias fuchtelt jetzt mit dem Messer in der Luft herum.
„Ihr macht das jetzt. Sonst erzähle ich allen, bei was wir euch erwischt haben.“ Manuela formt mit dem Zeigefinger und dem Daumen der linken Hand ein Loch und stösst den Zeigefinger der rechten Hand mehrmals hindurch.
„Ficki Ficki!“
Sie beginnt zu lachen, und die anderen lachen mit.
„Also, wird’s bald! Oder müssen wir euch helfen?“
Nick beginnt. Er trägt keinen Gürtel, langsam öffnet er den Knopf, zieht den Reissverschluss runter, die Hose ein Stück tiefer.
„Bis in die Kniekehle, und die Unterhose natürlich auch.“
Manuela scheint wie in Trance, als würde ihr eine Stimme einflüstern, was sie zu sagen hat.
„Und du auch, Madame, hopp, wird’s bald!“
Matthias macht einen drohenden Schritt auf mich zu.
Ich habe keine Angst vor ihm und seinem Messer, aber ich fürchte mich davor, was sie rumerzählen werden, vor dem Spott und dem Gerede. Dass es bis zu meinen Eltern vordringt, ins ganze Dorf, und Vater mich mit diesem wütenden, stummen Blick anschauen wird, den er immer bekommt, wenn ihn etwas abstösst, wenn er etwas nicht verstehen kann. Dass mich die Frauen in der Metzgerei oder im Volg mustern werden und danach miteinander tuscheln hinter vorgehaltener Hand. Dass sie immer, wenn sie mich sehen, denken werden, das ist sie also, die älteste Tochter von Alex und Paulina, ich habe gehört….
Nick hat jetzt aufgehört zu weinen, er sagt leise: „Los, Elena, mach schon.“
Ich schiebe meinen Pulli hoch, öffne den Knopf, ziehe den Reisverschluss nach unten. Nick ist inzwischen ganz ruhig geworden, so als wäre er nicht mehr richtig da.
„Gut so. Und jetzt stellt euch Rücken an Rücken, oder soll ich besser sagen, Arsch an Arsch.“
Manuela lacht wieder.
„Du trägst ja gar keine dünnen Strumpfhosen… Schade, die hätte ich dir sonst gerne abgenommen. So, jetzt will ich sehen, wie ihr eure Ärsche aneinander reibt, los, tanzt ein bisschen für uns!“
Die anderen lachen nervös, Sibylle macht ein paar Schritte zurück, es scheint ihr unangenehm zu sein, aber sie traut sich nicht, Manuela zu widersprechen.
Nick beginnt, sich an meinem Rücken zu bewegen, in einem leichten Rhythmus, auf und ab. Ich spüre den Druck von seinem Rücken, dann die nackte, kalte Haut. Es schaudert mich.
Ich weiss, dass unsere Freundschaft hier zu Ende ist. Ich werde ab morgen den Schulweg auf der anderen Seite des Baches nehmen, ich werde mir eine Ausrede überlegen, wenn Mutter fragt, warum wir uns nicht mehr treffen, ich werde ihm nie mehr in die Augen sehen.
„Jaaa“, ruft Manuela, „weiter so! Zeig’s ihr!“
Nick bewegt sich hin und her, und ich stehe da, starr und kalt vor Scham, meine Hose liegt auf dem Boden zwischen meinen Füssen, die Unterhose darin wie ein kleiner weisser Vogel im Nest.